Die Schlehe eine vergessene Wildfrucht

Früher war alles…, nein, es war früher nicht alles besser. Aber es war früher vieles anders. Und das trifft insbesondere auf die tägliche Versorgung und auch auf die Vorratshaltung mit Lebensmitteln zu. Es gab das heute in den Supermärkten vorzufindende Überangebot nicht, die Menschen mussten oft nehmen, was da war und hatten Rezepte, um alles zu verwerten. Die Werbung suggeriert heute, wie gut unsere Lebensmittel sind und dass man eigentlich alles fertig kaufen kann, statt es selbst zuzubereiten. Auch die Aufbewahrung der Lebensmittel stellte ganz andere Anforderungen, da es ja damals z.B. noch keine Tiefkühltruhen gab. So mussten viele Dinge haltbar gemacht werden, wurden Obst und Gemüse eingeweckt oder getrocknet, es wurden Säfte und Marmeladen selbst hergestellt, Kartoffeln und Möhren wurden eingekellert, Weißkohl wurde zu Sauerkraut in einem großen Steingutgefäß gemacht, Gurken wurden selber eingelegt und Äpfel wurden einzeln auf Zeitungspapier in einem kühlen Raum ausgelegt, die hielten sich dann bis zum Frühjahr… Nein, es war vieles viel komplizierter und oft auch aufwändiger als heute.
Fleisch gab es meistens nur am Sonntag und mal zwischendurch, aber viel seltener als heute. Dafür gab es mehr Eier, Fisch, Eintöpfe von Weißkohl, Wirsingkohl, weiße Bohnen, Erbsen, Linsen, Graupen. Auch den selbstgebackenen Kuchen gab es meist nur sonntags oder zu besonderen Anlässen.
Heute gehören Nahrungsmittel aus der Fabrik zu unserer Esskultur, ersetzen Fertiggerichte aus der Tiefkühltruhe, Burger, Tütensuppen, Pommes und Fertigpizza vielfach die Hausmannskost. So sind im Haushalt heute viele Sachen schlicht und einfach in Vergessenheit geraten und Kenntnisse über Früchte aus der Natur und ihre Verwendungsmöglichkeiten sind insbesondere jüngeren Menschen inzwischen völlig unbekannt.
Eine Wildfrucht, die es in sich hat
Wer sich draußen in der Natur bewegt und nicht gerade dabei ist, in seiner „wirklichen Welt“ Pokémons zu suchen und zu fangen, der würde beim Spaziergang an sonnigen Lagen des Waldrandes oder in den Knicks, den Wallhecken, häufig auf Schlehdorn-Sträucher treffen. Schlehen wachsen wild in ganz Zentraleuropa über Vorderasien bis nach Sibirien, aber auch in Nordafrika. Auch als Schlehdorn, Schwarzdorn, Heckendorn oder Hageldorn bezeichnet, machen die bis zu 3 Meter hohen und manchmal noch höher werdenden Sträucher bereits im Frühjahr auf sich aufmerksam, wenn sie über und über mit weißen und dichtstehenden Blüten bedeck sind, die einen zarten, erfrischenden mandelartigen Geruch verströmen.
Aber der Schlehen-Strauch blüht nicht nur wunderschön – die blau-schwarzen etwa 10-15 mm großen Steinfrüchte, die im Oktober reif werden und auf den ersten Blick ein wenig an kleine Pflaumen erinnern, lassen sich auch sehr gut zu Säften, Marmelade, Sirup und Likör verarbeiten.
Geduld und ein wenig Vorsicht bei der Ernte
Bei der Farbe der Schlehen und einem innen recht fest sitzenden Stein hören allerdings die Ähnlichkeiten mit Pflaumen auch schon auf: Das grünliche Fruchtfleisch schmeckt sehr herb, fast bitter und sauer. Denn roh genießbar sind Schlehen eigentlich erst nach den ersten Nachtfrösten, wenn sich die Stärke in den Früchten in Zucker umwandelt, so dass sie dann weich und süß werden. Daher ist die beste Erntezeit für Schlehen ab Ende Oktober und geht bis in den Dezember. Nach dem ersten Frost sollte man sich dann jedoch mit der Ernte beeilen, denn vor allem bei vielen Vögeln sind die Früchte in dieser Zeit sehr begehrt.
Übrigens weisen die Namen Schlehdorn, Schwarzdorn, Heckendorn und Hageldorn ziemlich eindringlich darauf hin, dass man bei der Ernte unbedingt Handschuhe tragen sollte: Die Zweige der Sträucher, an denen Schlehen wachsen, haben nämlich sehr spitze, lange und sehr unangenehme Dornen. Wem das Warten auf die ersten Nachtfröste zu lange dauert bzw. diese aufgrund des Klimawandels zu lange auf sich warten lassen, kann die Schlehen, die noch keinen Nachtfrost hatten, mit einem Trick süß bekommen: Einfach über Nacht einfrieren, dann auftauen lassen und nach Wunsch verarbeiten.
Eine sehr alte Obstsorte und Beitrag zur Vitaminversorgung
Früher trugen Schlehen besonders im obstarmen Winter zur Vitaminversorgung bei und die alte Volksmedizin kannte die Schlehen als Naturheilmittel bei Verstopfung, Nierenproblemen und zur Blutreinigung. Bei Schwächezuständen, z.B. nach Krankheiten, wurde ein Saft aus Schlehen als kräftigend verabreicht.
Dabei ist der Nährstoffgehalt von Schlehen erwiesenermaßen nicht sonderlich bemerkenswert. Aber: Sie enthalten beachtliche Mengen des Vitamins B1 und immerhin 10 mg Vitamin C pro 100 g. Auch der Anteil an Ballaststoffen in Schlehen ist nicht unerheblich, entspricht er doch pro 100 g knapp einem Drittel des täglichen Bedarfs
Und nun – was wird damit ? Ein Rezept !
Es gibt z.B. eine Menge Rezepte für leckere Marmeladen, die grundsätzlich damit beginnen, dass zunächst ein Schlehenmark hergestellt wird: Die Schlehen werden gewaschen und für ca. 3 Minuten in heißes Wasser gegeben. Nach dem Kochen die Schlehen mit einem Holzlöffel durch ein Sieb streichen (passieren).
Die im Sieb verbliebenen Schalen und Kerne noch einmal mit etwas Wasser aufkochen und noch einmal durch das Sieb streichen. Das in der Schüssel befindliche Schlehenmark gut durchrühren.
Für eine Marmelade mit fruchtig säuerlichem Geschmack in einer Variation mit anderen Früchten dieses einfache Rezept:
500 g Schlehen
400 g Apfelmus oder Birnenmus
1 kg Gelierzucker
1 Päckchen Vanillinzucker
Das Schlehenmark mit dem ungesüßtem Apfel- oder Birnenmus mischen und Vanillinzucker dazu geben. Alles gut durchrühren. Je nach den eigesetzten Anteilen von Schlehenmark, Apfel- oder Birnenmus kann dabei die Marmelade dem individuellen Geschmack angepasst werden.Den Gelierzucker unter Rühren hinzu geben und den Fruchtbrei für ca. fünf Minuten kochen und dann heiß in (natürlich vorher heiß ausgewaschene) Gläser füllen und diese verschließen.
Ein weiteres, einfaches Rezept wird alle diejenigen erfreuen, die für sich selbst oder Freunde einen einfachen, wohlschmeckenden Likör selbst herstellen möchten: Schlehenfeuer
Schlehen, die bereits ihre „Portion“ Nachtfrost bekommen haben bzw. aus der Tiefkühltruhe kommen, auftauen und mit einer Gabel mehrfach rundherum einstechen, in ein großes Glas oder einen Rumtopf geben
und auf 500 Gramm Schlehenfrüchte jeweils 250 Gramm braunen Kandiszucker, 1 bis 2 Zimtstange und 1 Sternanis mit einer Flasche „Klaren“ oder „Wodka“ (40%ig geht am besten) geben. Bei Zimmertemperatur so lange abgedeckt stehen lassen (Achtung: Stehen lassen – nicht zwischendurch immer mal wieder probieren, nur ab und zu umrühren!!) bis sich der Kandiszucker aufgelöst hat. Dann durch ein Tuch abseihen, etwas stehen lassen und noch einmal filtern, um etwaige Schwebstoffe aus einem klaren, roten Schlehenlikör herauszuhalten und in Flaschen abfüllen. Zugegeben, die Prozedur dauert etwas, das Geschmackserlebnis entschädigt dafür jedoch auf jeden Fall! Als Grundlage für die weitere Verwendung von Schlehen, z.B. für einen Schlehenpunsch oder ein Schlehengelee oder einfach zum Trinken dient der Schlehensaft:
Die Menge der geernteten Früchte (nach dem ersten Nachfrost oder aus der Tiefkühltruhe) in einen Topf füllen und diese mit so viel kochendem Wasser übergießen, bis die Früchte bedeckt sind. 24 Stunden stehen lassen, das Wasser aus dem Topf abgießen, wieder zum Kochen bringen und damit wiederum die Früchte heiß übergießen. Diesen Vorgang insgesamt fünf bis sieben Mal wiederholen. Mit jedem Tag wird dabei die Flüssigkeit dunkler, süßer und aromatischer. Nach dem letzten Aufkochen wird der heiße Schlehensaft in Flaschen gefüllt und verschlossen. So bleibt der Saft lange haltbar. Vor dem Trinken wird der Saft erwärmt und je nach Geschmack gesüßt.
Und wenn wir den Erfahrungen unserer „Altvorderen“ glauben, stärkt der Schlehensaft das Immunsystem – ein kleines Glas täglich, z.B. ein Schnapsglas voll, genügt und gibt den nötigen Vitaminschub für nasskalte Wintertage.
Schlehen in einer schmackhaften Delikatesse verarbeitet
Wer nun glaubt, dass Schlehen ausschließlich in Marmeladen und Gelees und in alkoholischen oder nichtalkoholischen Säften zu finden sind – weit gefehlt. Wenn man sich daran erinnert, dass die Schlehen äußerlich doch sowohl von der Farbe als auch von der Form eine gewisse Ähnlichkeit mit kleinen Pflaumen haben und die Sträucher vielfach in den Knicks zu finden sind, so verwundert ein weiterer Name nicht: Knick-Pflaume. Und mit diesen Knick-Pflaumen wird eine Delikatesse verfeinert: Eine feine Leberwurst vom Rotbunten Husumer Landschwein. Diese alte Nutztierrasse wird auf dem Bio-Bauernhof der Familie Hock in Humptrup, nahe der dänischen Grenze und einen Steinwurf von Sylt entfernt in Freilandhaltung gezüchtet. Die Tiere leben dort tatsächlich das ganze Jahr über draußen und fressen ausschließlich biologisches Futter, das auf dem Hockmannshof angebaut wird. Die Leberwurst wird mit einem Anteil von 12 Prozent Knick-Pflaumen ganz ohne Emulgatoren oder andere Zusatzstoffe hergestellt. Und da sich über Geschmack trefflich streiten lässt – die Leberwurst gibt es auch in Natur-würzig und mit Eberesche und Birne oder mit Marokkanischer Minze.
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