Drohnen auf dem Meer – Schiffe ohne Besatzung

Drohnen als Flugkörper, die zu Aufklärungszwecken oder für militärische Operationen ferngesteuert werden – oft sogar tausende Kilometer vom Einsatzort entfernt – sind inzwischen aus den Berichten der Medien hinlänglich bekannt.
Was nun allerdings von der Rolls-Royce Power Systems AG in Friedrichshafen als Presseinformation ausgegeben wurde, dürfte manchen Seemann in ungläubiges Staunen versetzten:
„Rolls-Royce entwickelt unbemannte Containerschiffe“
Allerdings sieht der entsprechende Aufmacher zu dieser Meldung, der freundlicherweise von der Pressesprecherin Fachmedien der Firma zur Verfügung gestellt wurde, doch sehr nach Science-Fiction aus und ähnelt mehr einer Darstellung aus einem Computerspiel.
Sicherer Oceanriesen ohne Besatzung?
Die Firma Rolls-Royce, ein absolut seriöses Unternehmen und bekannt als der Hersteller unter anderem von Antriebstechnik für die Luft- und Schifffahrt und seit den 1970er Jahren von der berühmten Luxusautomobilmarke getrennt, sieht diese Version jedoch keineswegs als eine Utopie, sondern als sehr realistisch an und geht davon aus, dass autonome Frachter im kommerziellen Betrieb bereits ab 2025 Wirklichkeit werden könnten.
Und was auf der Abbildung etwas sehr phantastisch, weil ungewohnt, aussieht, ist das Containerschiff der Zukunft, das ohne die Aufbauten im heutigen Umfang auskommt, denn die althergebrachte Kommandobrücke und auch die Unterkünfte für die Besatzung können hier entfallen. Der dadurch frei werdende Platz kann stattdessen mit zusätzlichen Containern beladen werden. Was in der Berechnung des Treibstoffverbrauchs im Verhältnis zum Frachtgewicht ein deutliches Plus in der Effizienz ausmachen würde – nämlich eine mögliche Treibstoffersparnis von 12 bis 15 Prozent. Damit wären unbemannten Schiffe auch umweltfreundlicher, allerdings nur, wenn es nicht z.B. durch die dadurch sinkende Transportpreise wieder zu einem vermehrten Transport über See kommen würde.
Gleichzeitig könnten zumindest ein Teil der Besatzungskosten eingespart werden, die heute, nach Angaben eines von „Bloomberg“ zitierten Branchenspezialisten, rund 3300 Dollar pro Tag kosten und damit etwa 44 Prozent der operativen Kosten eines großen Containerschiffes ausmachen.
Ein weitere Vorteil liegt angesichts heutiger Gefahren in der Schifffahrt ebenfalls auf der Hand: Piraten in den südasiatischen und afrikanischen Gewässern hätten es weitaus schwerer, solch ein Schiff zu kapern, könnten keine Besatzung als Geiseln nehmen und hätten vor sich eine Steuerung, die sie nicht bedienen können.
Denn gesteuert werden die Schiffe von einem Kontrollzentrum an Land. Hier sitzt der Kapitän an einem virtuellen Kommandostand und manövriert „seinen“ Frachter zusammen mit dem Schiffsingenieur durch Gewässer und Häfen – wie der Pilot und der Sensoroperator bei den ferngesteuerten Flugkörpern.
Die ersten Prototypen solcher autonomen Frachte könnten im kommerziellen Betrieb nach der Meinung von Fachleuten sogar bereits in drei bis vier Jahren in See stechen.
Eine Herausforderung für den globalen Seetransport
Wenn man einer Zahl der International Maritime Organization (IMO) als eine Einrichtung der Vereinten Nationen glaubt, dann wird heute etwa 90 Prozent des gesamten Welthandels über die Meere abgewickelt. Dazu sind etwa 100.000 Handelsschiffe in der Welt unterwegs. Damit wäre ein Bedarf an einer neuen Genration von Schiffen, die ohne Besatzung an Bord auskommen und trotzdem sicherer und günstiger sind, vorhanden. Dank modernster Technologien in der Steuerung und Überwachung könnten menschliche Fehler verhindert werden, denn rund 90 Prozent der Unfälle auf See sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Schiffssicherheit kann durch Automatisierung auf jeden Fall verbessert werden.
Notwendige kleinere Reparaturen an Bord könnten von fliegenden Drohnen ausgeführt werden und entsprechend vorprogrammierte Routen können bei Bedarf angepasst werden.
Voraussetzungen hierfür sind natürlich eine absolut zuverlässige Antriebstechnik und eine sichere Navigation, die auch ohne Besatzung fehlerfrei funktioniert. Und daran wird zurzeit bereits gearbeitet: So wurden im Rahmen des dreijährigen EU-Projekts „Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks“ (Munin), das im August 2015 auslief, ein Konzept für ein autonomes Schiffs entwickelt, das in erster Linie von automatisierten bordeigenen Entscheidungssystemen geleitet wird, jedoch von einem Fernoperator in einer landseitigen Kontrollstation gesteuert wird. Unter Leitung des Fraunhofer-Zentrums für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML (Hamburg) wurde dazu eine wachfreie Brücke sowie ein intelligentes Kamerasystem entwickelt.
Die Ergebnisse dieses Projekts können bereits heute in der Praxis Besatzungen auf langen Seereisen entlasten und Dienste an Bord wesentlich effizienter gestalten, etwa durch einen automatisierten Ausguck und eine unbemannte Brücke.
Ebenfalls in die Richtung eines autonomen Schiffsbetriebes als eine
Herausforderung an die Zukunft geht die Entwicklung des Kurzstrecken-Containerschiffes „ReVolt“ durch die norwegisch-deutsche Schiffsklassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas-Germanischer Lloyd (DNV GL) in Oslo. Das 60 Meter lange, autonom fahrende Schiff wird von zwei Elektromotoren angetrieben und hat eine Kapazität für 100 Standardcontainer und ist für den Einsatz in küstennahen Gewässern geeignet. Der Akku speichert Energie für eine Reichweite von 100 Seemeilen, das sind umgerechnet 185 Kilometer.
Vorteile erkannt, aber auch noch viele Probleme zu klären !
Waren es 2014 nur vier Prozent der Reeder, die sich unbemannte Schiffe auf den Weltmeeren vorstellen konnten, so sind es inzwischen bereits ein Viertel aller Schiffseigner, die autonom fahrende Schiffe als eine herausfordernde Perspektive für den globalen Seetransport sehen. Obwohl es heute theoretisch bereits (fast) möglich ist, kapitänslos über die Ozeane zu fahren, ist dies in der Praxis noch sehr umstritten.
Einige Probleme: Nach derzeitigem internationalem Seerecht gelten Schiffe ohne Besatzung als herrenlos. Deshalb müssen rechtliche Regelungen für den unbemannten Schiffsverkehr definiert werden, um hier die Rechtssicherheit auf See zu gewährleisten.
Ein weiteres Problem ist die vorgeschriebene Lotsenpflicht in verschiedenen Hafeneinfahrten, auf schmalen Kanälen, in schwierigen Seegebieten mit Untiefen sowie die Durchführung von An- und Ablegemanövern in Häfen. Und in nationalen Gewässern verlangen die derzeitigen Sicherheitsvorschriften eine Mindestbesatzung. Ein weiteres Problem könnte aber auch eine moralische Frage sein: Wie wird verfahren, wenn ein anderes Schiff in Seenot gerät? Die Hilfeleistung für Menschen in Seenot ist eine rechtliche Verpflichtung eines Kapitäns, die in mehreren internationalen Verträgen niedergelegt ist. Aber auch nicht alle Typen von Containerschiffen sind als fremdgesteuerte Schiffe geeignet, so ist beispielsweise bei Kühlcontainern das kontrollierende Personal an Bord auf der gesamten Reise Pflicht. Und wer haftet z.B. bei einem Unglück, bei dem kein Kapitän an Bord war? Wie kann Sicherheit bei Ausfall der Satellitenverbindung zwischen der virtuellen Kommandobrücke und den Steuer- und Beobachtungssystemen an Bord garantiert werden? Und wie organisiert man die Wartung eines Schiffes, auf dem keiner mehr reparieren, schweißen oder streichen kann?
Und auch, wenn es noch viele andere offene Fragen gibt, auf die die Ingenieure alleine keine Antwort geben können: An der digitalen Zukunft der maritimen Branche als ein Schlüsselfaktor für deren Zukunftsfähigkeit wird kein Weg vorbei führen.
Und wer weiß: Da fast 25 Prozent aller weltweiten Schiffsbewegungen auf der Nordsee stattfinden und daher dieses Meer eines der meistbefahrenen Gebiete der Welt ist, sehen unsere Kinder oder Enkelkinder vielleicht ein solches futuristische Schiff doch irgendwann einmal auf dem Nord-Ostsee Kanal.
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