Helgoland 1841 – nach feucht-fröhlicher Runde entstand das „Lied der Deutschen“

Auf der damals bereits seit 1807 britischen Insel Helgoland inmitten der Nordsee, nur 62,8 km (Luftlinie) von Büsum und nur 63,4 km (Luftlinie) von Cuxhaven entfernt, schrieb am 26. August 1841 der Dichter und Literaturprofessor August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dessen adliger Zusatzname von seinem Geburtsort, dem heutigen Stadtteil Wolfsburgs herrührte, das „Lied der Deutschen“.
Ob dieses „Lied der Deutschen“ – zunächst nur ein Gedicht – nun schon mit dem Ansinnen entstand, eine Nationalhymne zu schaffen, weil die Deutschen, deren Land zu dieser Zeit noch in 39 Kleinstaaten zersplittert war, etwas Vergleichbares gar nicht hatten oder ob er damit seiner Jugendliebe Henriette von Schwachenberg imponieren wollte, der er das „Lied der Deutschen“ auch gewidmet hatte, mögen Literaturwissende und Literaturkenner klären .Tatsache ist jedoch, dass er mit Freunden auf Helgoland bis in den frühen Morgen gezecht, fabuliert und gesungen hatte und hier ganz sicher Hoffmann von Fallersleben als überzeugte Anhänger des Nationalliberalismus und glühender Verfechter eines einigen deutschen Staatenbundes mit seiner Meinung zu bürgerlichen Freiheiten, Demokratie und einem geeinten Deutschlands nicht hinter dem Berg gehalten hat.
Seine Schriften, in denen er Stellung für die Demokratie und ein „einig Vaterland“ bezogen hatte, vor allem in seinen „Unpolitischen Liedern“ (1840/41), brachten ihm zunehmenden Ärger mit der preußischen Regierung ein, die hart auf die „politisch anstößigen Grundsätze und Tendenzen“ reagierte. Zunächst wird der Gedichtband verboten, dann wird ihm 1842 pensionslos seiner Professur an der Universität Breslau entzogen und im Folgejahr wird ihm die preußische Staatsbürgerschaft aberkennt, worauf schließlich ein Verweis des Landes erfolgt.
So wurde aus Hoffmann von Fallersleben ein politisch Geächteter, der schließlich von den monarchistischen Regierungen der deutschen Teil- und Kleinststaaten als Oppositioneller verfolgt wurde.
Nun also Helgoland, das er mit dem Schiff von Hamburg aus erreichte. Und nach der dort durchzechten Nacht mit den Diskussionen über die Freiheit und das Vaterland dann die Idee, aus einer Mischung von „Einig deutsches Vaterland“, „deutsche Frauen, deutscher Wein und deutscher Sang“ sowie „Recht und Freiheit“ dem deutschen Volk ein Gedicht zu widmen, als Ausdruck der Sehnsucht nach nationaler Einheit. Und in der Fassung der Helgoländer Urschrift auch noch ein wenig als ein Trinklied und Ausdruck der Freude, hieß es doch in der dritten Strophe noch: “Stoßet an und ruft einstimmig: Hoch das deutsche Vaterland.”
Mit Haydns Melodie und trotzdem noch keine Hymne
Mit der damals schon sehr populären Melodie von Joseph Haydn „Gott erhalte Franz den Kaiser“ unterlegt, wurde das „Deutschlandlied“ bereits am 1. September 1841 bei Hoffmann und Campe in Hamburg als Einzeldruck veröffentlicht und wurde am 5. Oktober 1841während eines Fackelzuges zu Ehren des in der Stadt weilenden liberalen badischen Professors Carl Theodor Welcker (1790-1869) erstmalig gesungen. Dieser wurde seit dem Verbot seiner Zeitschrift „Der Freisinnige – Freiburger politische Blätter“ und seine Versetzung in den Ruhestand wegen „verdächtiger Verbindungen“ als Vorkämpfer der deutschen Freiheits- und Einheitsbewegung angesehen.
Doch von diesen Einheits- und Freiheitsgedanken wollten die meisten Regierungen damals nichts wissen; in Preußen, Hannover und Österreich fiel das Lied rasch der Zensur zum Opfer. Im deutschen Kaiserreich gab es damals überhaupt keine Nationalhymne. Seit 1871 wurde „Heil dir im Siegerkranz“ als Kaiserhymne gespielt – nach der Melodie von „God Save the Queen“. Sie erklang bei Staatsakten, bei patriotischen Gelegenheiten mit Bezug zum Kaiser, wie Thronjubiläen und Geburts- und Todestagen, gewöhnlich aber auch zu Anlässen wie dem Sedantag und zu den Reichsgründungsfeiern.
„Lied der Deutschen“ als deutsche Nationalhymne seit 1922
Nachdem noch im Jahre 1918 die Siegermächte des Ersten Weltkrieges das “Lied der Deutschen”, das fortan auch als „Deutschlandlied” bezeichnet wurde, verboten hatten, erhob es der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, am 11. August 1922 durch einen Erlass zur offiziellen deutschen Nationalhymne. Bereits am 18. Februar 1919 hatte die Nationalversammlung in Weimar die Einführung der Farben Schwarz, Rot und Gold als deutsche Nationalfarben beschlossen.
In der Zeit der Hitler-Diktatur wurde ab 1933 nur noch die erste Strophe als Hymne gesungen, aber dies auch nur als eine „Vorstrophe“ vor dem nationalsozialistischen Kampflied „Die Fahne hoch“, dem berüchtigten „Horst-Wessel-Lied“. Die zweite und dritte Strophe der Hymne blieben nahezu unbeachtet, womit der demokratische Gedanken faktisch ignoriert wurde, passten doch die Begriffe „Recht und Freiheit“ nicht in das autoritäre System der Nationalsozialisten. Damit wurde das „Deutschlandlied“ für viele der von 1939 bis 1945 unterdrückten Völker und Kriegsgegner ein gesungener Ausdruck nationalistischer Anmaßungen.
Ein schwerer Start nach 1945
Mit dem Ende des Drittes Reiches kam das „Deutschlandlied“ zunächst auf den Index und sein Gesang wurde insbesondere in der Besatzungszone der Amerikaner unter Strafe gestellt.
Im Blickfeld standen besonders die Textpassagen der ersten Strophe
„Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!“
immer wieder in die Kritik und wurden mit deutschen Gebietsansprüchen und nationalistischen und revanchistischen Tendenzen gleichgesetzt. Dabei waren zur Zeit der Entstehung des „Deutschlandliedes“ diese Flüsse sowie die Meerenge die Grenzen des deutschen Sprachraums, für die man sich eben die Einheit eines einzigen deutschen Staates wünschte.
Auch die Zeile „Deutschland, Deutschland über alles“ bezieht sich aus der Sicht der damaligen geschichtlichen Situation nicht, wie später vielfach und oft auch oft absichtlich missverstanden, für den Ausdruck nationaler Erhöhung gegenüber anderen Ländern, sondern für das Empfinden, vor Erringen der politischen Freiheit aus der Kleinstaaterei des Deutschen Bundes (1815 – 1871) ein einiges Vaterland werden zu lassen.
Dass der Text, insbesondere der ersten Strophe, noch heute so kritisch betrachtet, liegt nicht an Hoffmann von Fallersleben und seinen damaligen Motiven, sondern an der Art und Weise, wie eine nationalistische und aggressiv expansive Politik Deutschland und die Welt in den folgenden 100 Jahren in die Katastrophe getrieben hat.
Nach dem gescheiterten Versuch des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, eine neue „Hymne an Deutschland“ in Auftrag zu geben, die sich aber nicht durchsetzen konnte, wurde dann im Ergebnis eines Briefwechsels zwischen Bundeskanzler Adenauer und Bundespräsident Heuss am 29.04. und am 02.05. 1952 das „Deutschlandlied“ als Nationalhymne für die junge Bundesrepublik Deutschland festgelegt.
Allerdings wird eben auch seit 1952 nur noch die dritte Strophe des „Deutschlandliedes“ als Nationalhymne gesungen. Nach der deutschen Vereinigung im Jahr 1990 gab im Hinblick auf die Festlegung einer gesamtdeutschen Nationalhymne einen ähnlichen Briefwechsel zwischen dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl, wodurch letztlich das „Deutschlandlied“ als deutsche Nationalhymne bestätigt wurde. Aber erst im August 1991, ein Jahr nach der Wiedervereinigung, erklärten Bundespräsident und Bundeskanzler gemeinsam: „Die dritte Strophe des „Liedes der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn ist die Nationalhymne für das deutsche Volk“.
Somit können wir heute also auf das 175. Jahr der Schaffung der Deutschen Nationalhymne zurückblicken, deren Text August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland schrieb. Seine Büste steht nun dort auf dem Platz vor der Landungsbrücke.
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